Freihandel stärkt den Wohlstand. Der Widerstand gegen eine weitere Handelsliberalisierung aber nimmt weltweit zu, allen voran in Europa und in den USA. Im Zuge einer generellen Globalisierungsskepsis haben es bilaterale Abkommen wie TTIP, TTP oder CETA schwer. Auf multilateraler Ebene im Rahmen der WTO geht seit längerem nichts mehr. Das sind düstere Aussichten für die Habenichtse dieser Welt.
Diesen Sommer bin ich durch die Schöllenen gefahren. Vorbei an Teufelsbrücke und Suworow-Denkmal, über den Gotthardpass in Richtung Süden. Und da musste ich an Donald Trump denken.
Protektionismus ist salonfähig
Der Republikaner ist zwar noch weniger populär ist als die rekordverdächtig unpopuläre Hillary Clinton, aber in einem trifft er den Nerv der Zeit und vieler seiner Landsleute: „America first“. Das Transpazifische Partnerschaftsabkommen TTP, das Washington mit elf Pazifik-Anrainerstaaten im letzten Herbst unterzeichnet hat, sei – Zitat – eine „Vergewaltigung der Nation“. Das Nordatlantische Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko, seit mehr als 20 Jahren in Kraft, findet er das „schlechteste in der Geschichte der USA“. Und logisch wettert der Blondschopf auch gegen TTIP, über das die EU derzeit mit Washington verhandelt.
Da mag die Gegenseite nicht zurückstehen. Hillary Clinton hat in Anlehnung an ihren internen Widersacher Bernie Sanders ebenfalls einen deutlich protektionistischen Ton angeschlagen. Beide buhlen um die Stimmen jener, die in der Abschottung eine Verheissung für persönlichen Wiederaufstieg und als Schutz vor globalen Wettbewerb sehen. Nun stehen auch in Frankreich Wahlen an, dann in Deutschland und später in Österreich. Und so wird statt offenen Grenzen und dem Abbau von Handelshemmnissen hüben wie drüben dem nationalen Wirtschaftsprotektionismus das Wort geredet.
Ein leiser Tod
De-Globalisierung ist chic, nicht nur bei der Linken, die immer schon Zweifel am freiem Handel äusserte, sondern auch bei der Rechten. Ob AfD oder FPÖ, ob Sozi oder Republikaner – hier reicht man sich parteiübergreifend und transatlantisch gerne die Hand. Und so stirbt sie leise, aber sie stirbt: Die Überzeugung, dass freier Handel der Wohlstandsmehrung dient und über alles betrachtet keine Pest, sondern vielmehr Segen ist. Schon länger gilt das für die multilaterale Ebene der WTO: Die 2001 begonnene Doha-Runde zur weiteren Liberalisierung des Welthandels liegt seit Jahren im Wachkoma.
Für die Habenichtse dieser Welt sind das düstere Aussichten. Denn obwohl Handel und ein Mehr an Wettbewerb auch Verlierer und Souveränitätsverzicht bedeuten: Es sind gerade die Entwicklungs- und Schwellenländer, die über Zeit von einfacheren Marktzugängen profitieren, so sie ihnen denn auch gewährt würden. China ist dafür das beste Beispiel. Heute Exportweltmeister und auf dem Sprung zur globalen Wirtschaftsmacht, war das Land noch vor wenigen Jahrzehnten bitterarm und rückständig.
Öffnung statt Abschottung
Was uns wieder zurückführt zum Gotthard. Seine wirtschaftliche Bedeutung für den Nord-Süd-Transit zwischen Italien und dem Norden Europas in der frühen Neuzeit mag bisweilen überhöht worden sein. Nicht bestritten ist jedoch, dass hier im Kleinen ein immer stärker integrierter und interdependenter Wirtschaftsraum entstehen konnte, über Sprach-, Kultur- und geographische Barrieren hinweg. Geschehen ist das nicht durch Abschottung, sondern durch Öffnung.
Man stelle sich einfach kurz eine Schweiz vor, in der die Schöllenen nicht durchschlagen, Zoll- und Währungsstandards nicht vereinheitlicht und der Waren-, Güter- und Dienstleistungsaustausch nicht liberalisiert worden wäre. Und spätestens jetzt merkt man: Trump und Co. irren.
Erstmals in der Sonntagszeitung vom 4. September 2016 erschienen.