Drei der ganz grossen Spieler im Schweizer Medien- und Informationsmarkt wollen zusammenspannen: Swisscom, Ringier und die SRG haben ein Joint Venture für die gemeinsame digitale Vermarktung geschlossen. So weit so mutig, weil zukunftsgerichtet. Richtig ist es aber dennoch nicht, was aber nicht nur an den beteiligten Unternehmen, sondern an der Trägheit einer ganzen Branche und der Politik liegt. Meine Gedanken dazu, erstmals veröffentlicht in der Sonntagszeitung.
Kühn ist das Vorhaben. Und darum gut schweizerisch die Kritik daran harsch. Der geplante Vermarkungszusammenschluss von Swisscom, der SRG und Ringier wirft auch noch Wochen nach seiner Verkündung hohe Wellen. Den nicht beteiligten privaten Verlegern raubt das Vorhaben Schlaf und Nerven. Denn sie fürchten die Vormacht staatlich dominierter Wettbewerber im digitalen Werbemarkt – im Wissen darum, dass künftig die Kapitalisierung von individuellen Kundendaten über Sein und Nichtsein entscheidet.
Big Data eben. Und genau über diese verfügen sie nicht. Ihr bestehendes Geschäftsmodell erodiert, weil es stark auf der statischen Bewirtschaftung von Vertriebs- und Werbeerlösen einer Mediengattung beruht, die mindestens im Tagesverlauf ein Auslaufmodell darstellt: der bezahlten Zeitung. Rechnungs- und Zustelladresse aber generieren keine Nutzerdaten von Relevanz für zielgruppenspezifische oder gar individualisierte Werbung. Google besitzt sie weltweit, wie auch Facebook oder Twitter. In der Schweiz heissen die Platzhirsche Swisscom oder Salt, Migros oder Coop, SBB und Post, UBS oder CS – und jedes kantonale Steueramt.
Es riecht nach weniger, nicht mehr Wettbewerb
Das Vorhaben ist darum strategisch mutig, weil zukunftsorientiert. Was nicht heisst, dass es ordnungspolitisch richtig ist. Denn wenn der staatlich geschützte Quasi-Monopolist im nationalen Radio- und TV-Markt mit der in staatlichem Mehrheitsbesitz befindlichen Ex-Monopolistin im Telco-Markt zusammenspannt, dann riecht das stark nach nicht mehr, sondern nach weniger Wettbewerb – und nicht nach weniger, sondern nach mehr Staatsnähe. Dass die (staatliche) Wettbewerbskommission dies Ende 2015 anders beurteilte, ist im Lichte der gesetzlichen Rahmenbedingungen fast logisch. Nur eben: Sind diese noch zeitgemäss?
In der Gemengelage der künftigen Ausgestaltung der Schweizer Medienlandschaft geht bisweilen der Blick auf uns Kunden verloren. Wir wollen digital möglichst effizient informiert werden, was nicht das Gleiche ist wie möglichst billig und schlecht. Twitter, Facebook und Co. können das leisten, Kraft der Schwarmintelligenz, die wahrlich vor Un- und Wahnsinn nicht gefeit ist. Der unspezifische Konsum von Nachrichten dagegen wirkt immer mehr wie ein Breitbandantibiotikum mit Nebenwirkung. Etwa jene der Übersättigung, der Überforderung, der Enthemmung, der Infantilisierung und in aller Konsequenz Banalisierung. Das gilt auch für die Werbung, die auf uns niederprasselt.
Gegen die Nebenwirkungen des Breitbandantibiotikums
So gesehen sind Schritte in Richtung Individualisierung zu begrüssen, weil diese der anschwellenden Flut von allem und jedem Einhalt bieten kann. Zugegeben: Auswahl, Neugier und der Überraschungseffekt werden beschränkt, wenn ich nur noch jene Informationen oder Werbung sehe, die auf mein Profil zugeschnitten sind. Aus Kundensicht jedoch ist der digitale Status quo – hier Sonntagszeitung, dort NZZ, ein wenig Wikipedia und viel Trash, und in einigem nur die SRG – zunehmend ineffizient, weil wir pro Zeiteinheit nicht weniger, sondern immer mehr erledigen können, wollen und müssen.
Eine intelligentere Adressierung unserer Bedürfnisse als Kundin und Kunde hat daher auch im Mediengeschäft durchaus Charme. Die Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley beweisen freilich, dass es dafür nicht überbordenden staatlichen Heimatschutz braucht, sondern in erster Linie viel Kreativität und Gestaltungswillen – im Unternehmen, in der Branche, in der Politik.