Hut ab vor der Rechereche-Leistung des Internationalen Konsortiums investigativer Journalisten. Die Panama Papers zeichnen ein düsteres Bild von heimlichen Finanzmachenschaften, in die führende Politiker, Firmen und Privatpersonen involviert sein sollen. Am Anfang aber steht wieder ein Datendiebstahl. Warum ich finde, dass das nicht Schule machen sollte; erstmals veröffentlicht in der Sonntagszeitung.
Bei Panama kommt mir immer Janosch in den Sinn – und John Le Carrés Schneider Harry Pendel. Der erste als Kinderbuchautor, der uns die Irrfahrt von Tiger und Bär auf der Suche nach dem Paradies – eben Panama – erzählt. Der zweite als notorisch überforderter Strippenzieher mit zwielichtiger Vergangenheit, der sich von einem karrieregeilen MI6-Agenten genötigt fühlt, in selbigem Paradies einen Putsch zu inszenieren. Beide Geschichten enden im Fiasko. Bär und Tiger, mit Ente, werden zwar glücklich, aber nicht fündig, auch wenn sie es glauben. Und Harry, der rührige Schneider, verliert einen treuen Freund und die britische Regierung viel Geld.
Im Paradies ist nichts mehr privat
Ein Fiasko droht nun diversen Personen aus Showbiz, Hochfinanz und Politik, die in der Karibik über Scheinfirmen und Trusts ihre Vermögenswerte verwalten lassen. Denn das Paradies, von dem sie träumten, war eines, in dem ihre Identität geschützt war. Und seit der Veröffentlichung der Panama Papers ist damit vorläufig Schluss.
Investigativer Journalismus ist meist anwaltschaftlich. Dies ist auch bei den Panama Papers so. Die Beteiligten – weltweit rund 400, die überhaupt Zugriff auf die Files haben – sehen sich als Wächter, Aufdecker und auch ein wenig als Weltverbesserer. Sie allein entscheiden darüber, über was und wie darüber berichtet wird, was also relevant ist oder sein könnte. Alle anderen plappern nach oder schweigen schmollend. Und logisch sind da klingende Namen wie Wladimir Putin, Nico Rosberg oder David Cameron leicht zugkräftiger als Orthopäde Pedibus aus Oggersheim, der auf den Bahamas fiktive Rechnungen zur Steueroptimierung ausstellen liess.
Seriöse Recherche, moralische Erhabenheit
Wir sehen also eine selektive Transparenz und eine, die den Gesetzen des medialen Massenmarktes folgt. Das macht die Recherche keineswegs schlecht, zumal sie von seriösen Häusern und nach professionellen Kriterien durchgeführt wird. Aber es entzaubert etwas die moralische Erhabenheit, welche das Journalisten-Netzwerk für sich einfordert – auch, weil die Erkenntnisse erneut auf einem dreisten, wenn auch angeblich rein altruistisch motivierten Diebstahl beruhen: 2.6 Terabyte Daten. Wer dieser Robin Hood ist und was ihn wirklich antreibt, das wissen angeblich auch die Autoren nicht.
So steht Panama eben auch als Chiffre für einen anonymen Rechtsbruch, den man billigend in Kauf nimmt, um mutmassliche Rechtsbrüche und moralisches Fehlverhalten offenzulegen. Das hatten wir schon, bei Wikileaks, bei den Offshore-Leaks, bei der Affäre Hildebrand, bei den Schweizer Steuerdaten-CDs. Bei Putin mag uns das nicht stören (und irgendwie ja auch nicht wirklich überraschen); sind wir selbst betroffen, wie im Fall der Sammelwut der NSA, sehr wohl.
Hybris mit dem Umgang des Privaten
Diese Hybris im Umgang mit dem Schutz des Privaten, mit Recht und mit Moral aber verändert uns als Gesellschaft – und ich fürchte, nicht zum Guten. Denn es befördert das gegenseitige Misstrauen, zwischen uns, im Umgang zwischen Bürger und Staat, aber auch zwischen Firma und Mitarbeiter. Im Zeitalter der Bytes and Bits wird jeder potenziell zum Verräter, wenn IT-technisch geschult. Nur einige wenige sind dazu fähig, was ihnen ungeheure Macht verleiht, genauso wie jene, die solche Leaks auswerten und die aus ihrer Sicht relevanten Informationen weiterverbreiten.
Das Unangenehme daran ist nur: Wir alle sind gläsern, hinterlassen Spuren. Schutz vor Enthüllung geniessen in aller Konsequenz jedoch nur noch jene, die nichts sind und nichts werden wollen, die besonders raffiniert oder besonders skrupellos sind. Das ist kein Plädoyer für Steuerbetrug, Geldwäscherei oder die Finanzierung von Drogengeschäften, Menschenhandel oder Waffenschmuggel. So doch eines, sich einzugestehen, dass nicht alles, was einige verbergen, jeden etwas angeht.