Die Wahl Donald Trumps zum künftigen Präsidenten der USA wirft einige Fragen auf. Sicher ist derzeit wenig, ausser, dass sich in der Politik ein Stil durchsetzt, der einigen Bildungs- und Erziehungsidealen widerspricht. Wie erklären wir das eigentlich unserer Jugend?
Wie begründen Sie es eigentlich grad Ihrer Jungmannschaft? Dass sie Zähne putzen, Ordnung halten und pünktlich sein soll? Dass sie Lehrern, Polizistinnen, Tramkontrolleuren und Eltern mit Respekt begegnen und sich anständig benehmen muss? Also nicht lümmeln, nicht lügen und nicht fluchen!
Lügen wird belohnt
Schwierig geworden mit Blick auf den Weltenlauf: Ein Rüpel wird Präsident jener Nation mit den meisten Nobelpreisträgern. Sexismus ist wieder salonfähig, Rassismus qualifiziert für die Regierungstätigkeit, und Lügen wird belohnt.
«Steh auf mein Sohn, die Schule ruft…», das verliert an Überzeugungskraft in einer Welt, in der Bildung als elitär verschrien wird, das Antifaktische (wieso reden eigentlich immer alle von «post-»?) in aller Munde ist und Dumpf- und Dummheit als identifikationsstiftendes Sammelbecken für Frustrierte aller Schattierungen dient.
Vor dieser Blechkapelle wollen Sie nun das hohe Lied von Verstand, Fleiss und Ehrlichkeit anstimmen? Als Jugendlicher würde ich Ihnen den Vogel zeigen.
Nicht aus Hollywood
Man könnt erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern erzogen wären. Dichtete Goethe. Dem ist offenkundig nicht so, wenn wir unsere Erwachsenenwelt betrachten. Und täuschen wir uns nicht: Unsere Jugend merkt das!
Trump und Co. sind keine Kunstfiguren, nicht überzeichnete Charaktere in einem schlechten Hollywood-Streifen. Nein, sie sind real – und sie haben Erfolg. Sie biegen Meinungen. Sie betrügen, sie bereichern sich. Und sie werden gewählt. Nicht von Kindern und der Jugend, denn diese haben noch keine Stimme. Sondern von Erwachsenen, auch von Eltern. Solche Vorbilder lehren der demokratisch noch unmündigen Generation sehr rasch, dass nicht das Faktische zählt, sich Redlichkeit nicht lohnt.
Unsere Jugend erlebt derzeit auf allen Kanälen das Fertigmachen als Strategie des Politischen, die Indifferenz gegenüber jeglicher Differenzierung als Konzept für Aufstieg und Sieg. Es ist wahrlich nicht das erste Mal in der Geschichte, dass antiintellektuelles Gebaren als chic gilt. Nur ist heute der mediale Resonanzkörper unendlich gross. Für eine noch so krude Behauptung: Fans finden sich im sozialen Netz immer. Wer aber hängt Tag und Nacht am Handy?
Archetypisch elitär
Besonders perfid ist das Eliten-Bashing deswegen, weil es von jenen betrieben wird, die kraft ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung fast schon archetypisch dazugehören: Trump füllt seine Administration grad mit Milliardären, Krisengewinnlern und viel Altersstarrsinn. Er hält Hof im goldenen Turm. Die Öffentlichkeit – und die Jugend – bleibt aussen vor.
Richtig ist: Trump krebst derzeit von einigem zurück, was er noch vor wenigen Wochen vollmundig im Wahlkampf angekündigt hat. Aber es ist blauäugig, zu glauben, er baue nun Brücken statt Mauern. Sicher ist derzeit nur eines: Dieser Mann hat bereits sehr viele Brücken gesprengt, Mauern eingerissen und Grenzen verschoben.
Pragmatismus gehört zum politischen Geschäft, nicht aber Gleichgültigkeit. Lassen wir sie zu, bringen wir den nachfolgenden Generationen einzig bei, dass man rote Linien überschreiten kann und damit durchkommt. Ob vor oder nach Wahlen, ist dabei ganz egal.
Erstmals in der Sonntagszeitung vom 27. November 2016 publiziert.