Im Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit wird auch immer wieder die Nazi-Keule geschwungen. So auch beim Abstimmungskampf gegen die Durchsetzungsinitiative der SVP, die am Sonntag von den Schweizer Stimmbürgern deutlich verworfen wurde. Hier hatte ein zum Hakenkreuz verfremdetes Schweizer Kreuz auf einem Plakat der Gegner der Vorlage für Aufregung gesorgt. Der Nazi-Vergleich ist heikel, weil meistens falsch und fast immer kontraproduktiv. Meine Gedanken dazu, erstmals veröffentlicht in der Sonntagszeitung.
Wer die Nazi-Keule schwingt, kriegt Haue. Meistens. Und fast immer zu Recht. Denn diese Keule geht rasch und locker zur Hand, wenn kluge Argumente ausgehen oder aber die Emotion wie die Milch auf dem Herd überkocht. Auch die breit ausgreifende Abwehrkampagne gegen die am Sonntag vom Schweizer Souverän sehr deutlich verworfene Durchsetzungsinitiative der SVP war davor leider nicht gefeit.
Stilmittel, wie sie auch totalitäre Regime anwenden
Die Nationalkonservativen versammeln unter sich auch Neider, Kleingeister und xenophobe Polteri. Die Einpeitscher sind Meister der Polemik, und die Stossrichtung ihrer Initiative war brandgefährlich, weil diese die Rechtsordnung der Schweiz auszuhebeln versuchte und zentrale Errungenschaften einer liberalen und aufgeklärten Gesellschaft infrage stellte wie etwa die Gleichheit vor dem Gesetz oder die Verhältnismässigkeit zwischen Tat und Strafe.
Die Partei bedient sich der Stilmittel, die auch in totalitären Regimen zur Anwendung kamen und kommen. Ausgrenzung zum Beispiel, das konsequente Schüren von Angst, die Diffamierung des politischen Gegners oder die Bewirtschaftung des Images, als «lonely wolf» für das einzig Richtige zu heulen. Aber das macht Mitglieder und Anhänger noch lange nicht zu Nazis.
Grobheit und Polemik sind kein Privileg nur einer Partei. Wir leben in einer Empörungsgesellschaft. Und greifen lieber zur Streitaxt als zum Stilett. Oder befeuern den digitalen Shitstorm. Mit gutem Geschmack, Anstand oder gar Moral hat das auch in der Schweiz schon länger nichts mehr zu tun. Die SVP freilich hat diese Stilform wie keine andere politische Kraft im Lande perfektioniert. Und wird nicht einmal mehr rot dabei. Es zählt allein die Wirkung im Ziel.
Die falsche Wirkung im Ziel
Auch die Nazi-Keule garantiert Aufmerksamkeit – mit einem kleinen, aber gewichtigen Unterschied: der Wirkung im Ziel. Es bringt nichts, sich in einem selbstreferenzierenden Wettbewerb der Empörung immer eine Spur empörter zu zeigen. Auf Provokationen mit Provokation zu antworten. Und ultimativ ein monströses Verbrechen zu zitieren. Wer es dennoch tut, verzerrt grotesk jegliche Dimension, allem voran jene des Leids der Opfer. Damit wird der politische Gegner nur überhöht statt in seiner Bedeutung zurechtgestutzt.
Die SVP aber ist nur die SVP. Zwar die stärkste politische Kraft im Land. Aber nicht mehr. Wer sie bekämpfen will, tut gut daran, sich nicht solcher Stilmittel zu bedienen. Sondern intelligenter zu kommunizieren. Mit Witz. Mit Kreativität. Und mit Verstand.
Wir sind keine blökenden Schafe
Das erinnert mich an jene Zeitungskarikatur, die Christoph Blocher zeigte, wie er vor einer Schar als Kühe stilisierter Anhänger predigt. Die Empörung unter diesen war gross; hier werde das Volk verhöhnt, der Bürger als einfältig dargestellt, als Paarhufer halt.
Nun denn: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass wir als Bürger dieses Landes von dieser Partei, die vorgibt, für die Bürger dieses Landes zu kämpfen, konsequent nur noch als Schafe dargestellt werden? Weiss zwar, aber dennoch als Schaf. In Herde gehalten. Empörung hat dieses Sujet auch ausgelöst – aber wegen der schwarzen Tiere, nicht wegen der weissen.
Nun sind wir zum Glück weder dumme Kühe noch Schafsköpfe, sondern wachsame Hirtenhunde. Und darum haben wir auf dem letzten Meter dieses sonntäglichen Alpaufzugs nicht stumpfsinnig Ja geblökt, sondern laut und deutlich Nein gebellt.
Es ist in einer Demokratie immer noch das beste Rezept, Proportionen zurechtzurücken.