Es ist mild, wie öfters in diesem Winter. Seit Dezember naht der Frühling – und damit auch der Sommer. Zeit also, Ferienpläne zu schmieden. Doch wohin kann man noch reisen, in diesen düsteren Zeiten? Meine Gedanken dazu, erstmals veröffentlicht in der Sonntagszeitung.
Ich mach diesen Sommer Ferien zu Hause. Ist sicherer. Und politisch korrekt. Zwar etwas teuer. Aber auch sehr schön. Denn ich will kein Zika-Virus, keine Geiselnahme, kein schlechtes Gewissen und auch keinen Terror – sondern einzig und allein Ruhe und Entspannung. Nichts tun, nichts wissen, nichts müssen. Und vor allem nicht ärgern.
Badeferien auf Lampedusa? Nicht wirklich, oder?
Haben Sie schon Ferienpläne gemacht? Wird langsam schwierig. Die Südtürkei wäre spannend, aber sicher nicht entspannend. Russland ist zwar kulturell bereichernd, politisch jedoch muss man sich schämen. Im Maghreb und im Nahen Osten herrschen Krieg und Terror, zwar nicht überall, aber leider auch nicht nirgends. Schon wieder auf die Malediven zu jetten, ist nach dem Pariser Klimagipfel irgendwie auch frech. In den USA ärgert man sich nur über Trump, in Deutschland über Merkel (oder Seehofer). Und dann all diese Flüchtlinge! Badeferien auf Lampedusa? Auf Chios, den Kanaren? Nicht wirklich, oder?
Also bleiben wir zu Hause. Weil wir eines haben. Das weitet zwar nicht unseren Horizont, hilft aber dem vom starken Franken gebeutelten Tourismus. Wir packen den Rucksack mit eingebautem Wasserbeutel, lösen das Halbtax auch für den Hund, bröseln nicht das Abteil voll und stellen das Handy artig auf stumm, da nur noch im Ruhewagen Platz ist. Und fahren in die Berge. Zu Gletschern, Stauseen und Tannenwäldern.
Landjäger statt Pasta Vongole
Die etwas muffige Atmosphäre im Berghotel «Gopfischdasschön» empfinden wir als charmant, den Nieselregen etwas weniger. Aber wir haben ja extra noch Funktionswäsche gekauft. Heiss ist ohnehin nicht cool. Überhaupt: Statt uns dauernd mit dem Sand zwischen den Zehen rumärgern zu müssen, tragen wir dicke Wollsocken und schweres Schuhwerk. Wandern ist gesünder, als faul in der Sonne zu fläzen. Statt Melanom gibts Muskelkater, statt Pasta Vongole einen Landjäger.
Der Tischwein kann es locker mit dem Retsina im letzten Jahr aufnehmen, und vom Essen wird einem mindestens nicht schlecht. Meeresrauschen wird überschätzt, den schleimigen Gitarristen (ciao bella, ciao-ciao!) macht das Hackbrett-Trio mit Jodeleinlage mehr als wett.
Das Postauto fährt pünktlich, die Betten sind fast wie daheim, man spricht Dialekt (so eine Art Schweizerdeutsch) und ist unter seinesgleichen, was ein wohliges Gemeinschaftsgefühl erzeugt: In der Meute ab in die Seilbahn, mit Schweizer Kreuz auf Dächlikappe, Survival-Uhr und Taschenmesser.
Statt im Global Village sind wir authentisch dörflich, kein Chichi, dafür bio. Hier gibt es noch Tiere, einheimische – Hirsch, Reh, Murmeltier und Bussard! Und erst der Streichelzoo beim Bauern: Schafe – weiss, selten braun. Zum Glück ist keines schwarz.
M irgendwas aus dem Trentino
Einzig der Bär, der macht uns Angst. Dieser M irgendwas. Sicher wieder einer dieser allein reisenden Männer. Ganz schlecht integrierbar. Über die grüne Grenze gekommen sei er, heisst es im Radio. Aus dem Trentino. Das ist Italien. Also Schengen-Erstaufnahmeland. Der muss dorthin zurück. Sofort! Gibt keinen Asylgrund. Der will hier nur unsere Schafe fressen. Die wir subventionieren. Ergo ist der ganz klar ein Wirtschaftsflüchtling und Sozialschmarotzer. Akzeptieren wir nicht.
Und ich wollte mich nicht ärgern in diesen Ferien. Vielleicht hätt ich doch wegfahren sollen.