Schönfärben ist en vogue; in Politik sowieso, immer mehr auch in der Wirtschaft. Ein Grund für diese Informationsstrategie ist die Angst vor Fehlern und vor Reputationsrisiken, aber auch vor Haftung und juristischem Nachspiel. Als Bürger und Kunde jedoch fühlt man sich nicht ernstgenommen. Meine Gedanken dazu, erstmals veröffentlicht in der Sonntagszeitung.
Es hat irgendwie System. Nicht die Wahrheit zu sagen, ohne deswegen zu lügen. Das nennt sich Schönfärben. Oder aber man schweigt. Weil man glaubt, es merke niemand, dass man nichts gesagt hat.
Der Pressesprecher des künftigen Flughafens von Berlin hat sich dieser Tage anders entschieden und in einem von seiner Geschäftsleitung nicht autorisierten Interview frank und frei Klartext gesprochen. Dass das Projekt den Steuerzahler schon Milliarden gekostet habe, dass es möglicherweise erneut eine Verschiebung der einst auf 2012 angesetzten Inbetriebnahme geben könnte und dass ganz generell zu viel «verbockt» worden sei. «Früher hat man meist gesagt: Nein, es ist alles gut. Das ist Bullshit. Bekenne dich dazu, wenn etwas scheisse gelaufen ist», liess sich der Sprecher zitieren.
Ins Nirwana von Zahlen verbannt
Diese Offenheit ist dem Mann nicht gut bekommen; er wurde von der Betreibergesellschaft mit sofortiger Wirkung freigestellt. Schade eigentlich, hat er doch in zwar etwas deftigen Worten nichts gesagt, was man nicht schon längst wusste: Dass nämlich dieses Prestigeprojekt als Folge von Managementfehlern und politischen Rankünen ein hochnotpeinliches Fiasko darstellt. Nun ist er hingestanden, hat es gesagt und wurde geschasst. Ich bin kein Berliner, vermute aber, dass diese eher ein Herz für die «freche Schnauze» haben dürften als für die Vorgesetzten. Denn es gibt nichts Ärgerlicheres als Herumgeschwurbel von jemandem, der in der Verantwortung steht. Wir kennen das aus der Politik; leider macht es auch in der Wirtschaft Schule. Die Devise lautet: Ja keinen Fehler machen, auch keinen zugeben, weil Haftungsfragen, Reputationsrisiken oder Misstrauen von Kunde und Markt drohen.
Dummerweise schadet aber fehlende Transparenz oft mehr als das krampfhafte Schönmalen. Vor allem bei Unternehmen, die stark in der Öffentlichkeit stehen. Denn es ist blauäugig zu glauben, die Fakten liessen sich verbergen. Musterhaft dafür war vor kurzem ein grösserer Versicherungskonzern, der den Abbau von mehreren Tausend Stellen als Folge einbrechender Erträge ins Nirwana von unübersichtlichen Ergebnissen verbannte und wohl glaubte, es irritiere niemanden, wenn die unverändert hohe Dividendenausschüttung als gewichtigste Botschaft hervorgehoben wird.
Reale Betroffenheiten sind politisch relevant
Das gilt auch für jene Banken, die einmal mehr hohe Boni für (magere) Leistungen in der Vergangenheit rechtfertigen, während im gleichen Atemzug Wertberichtigungen in Milliardenhöhe bekannt gegeben werden müssen, die logischerweise einhergehen mit zum Teil drastischen Kostenreduktionsprogrammen.
Vergessen geht bei einer solchen Informationsstrategie gerne, dass die realen Betroffenheiten ungeachtet eines oft international zusammengesetzten Managements und Aktionariats weiterhin sehr lokal sind. Und genau hier verspielen oder gewinnen Firmen das Vertrauen der Bevölkerung in eine redliche Unternehmensführung. Nun mag dieses Vertrauen für global tätige Konzerne ökonomisch nicht sehr relevant sein. Es ist es aber sehr wohl politisch, gerade in der direktdemokratisch verfassten Schweiz.
Man muss es ja nicht so pointiert machen wie der Sprecher des Berliner Flughafens. Aber es schadet einer Firma oder einer Führungskraft nicht, wenn sie dort, wo es in der Sache angebracht ist, nicht schweigt oder schwurbelt, sondern zu Fehlern oder Fehleinschätzungen steht. Nicht demütig und als Bussgang, sondern als Beweis ehrlich gemeinter Aufrichtigkeit. Wir als Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre oder Steuerzahler würden es jedenfalls begrüssen.